Gedenktag: „Wir müssen ganz allgemein aufpassen, wie wir miteinander umgehen“

Die Schülerinnen und Schüler der Ursberger Dominikus- und Katharinen-Schule erinnerten Ende Januar zusammen mit den neunten Klassen des Ringeisen-Gymnasiums sowie den Schwestern der St. Josefskongregation an die sogenannten Krankenmorde im Rahmen des Euthanasieprogramms des Dritten Reichs.

 

Ein Text von Stefan Reinbold/Ringeisen-Gymnasium

Datum: 29. Januar 2024, 18:41 Uhr
Schülerinnen und Schüler des Ringeisen-Gymnasiums, der Dominikus- und Katharinen-Schule richteten gemeinsam einen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus unter Menschen mit Behinderung aus.

Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen galten in der Ideologie der Nationalsozialisten als unwert, als Belastung für den von den Nazis so genannten „Volkskörper“, der sich der als Parasiten abgestempelten Menschen entledigen müsse, um zu gesunden. Alleine aus den Einrichtungen des DRW wurden 379 Menschen ermordet. Am 27. Januar wird an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert.

Mit der Gedenkveranstaltung wollten die Jugendlichen und ihre Lehrerinnen und Lehrer aufklären über die Hintergründe aber auch über die vielen Einzelschicksale. Gemeinsam begingen sie eine Andacht zu Beginn des Vormittags, in der betont wurde, dass alle Menschen vor Gott gleich sind. Jeder Mensch ist so, wie er ist, wertvoll.

Kampf und Machlosigkeit

Um dies zu unterstreichen, lasen Schülerinnen und Schüler des Ringeisen-Gymnasiums aus Briefen vor, die Ursberger Bewohner aus den Anstalten, in die sie verlegt worden waren, geschickt hatten. Deutlich geht aus diesen Briefen hervor, wie sehr sich diese Menschen nach Ursberg zurücksehnten. Deutlich wird auch, wie die Schwestern der St. Josefskongregation durch persönlichen Kontakt und Besuche sowie permanente Nachfragen nach ihren Schützlingen darum gekämpft hatten, dass diesen Menschen nichts geschieht – und wie machtlos sie oft waren.

Wie sehr die hilfsbedürftigen Menschen ihren Peinigern und Mördern ausgeliefert waren, zeigte auch die Aktion der Dominikus- und Katharinen-Schule am Gedenkort im Klostergarten Ursberg, bei der sie die Schicksale einiger der auf den Stelen abgebildeten Menschen erzählten. Für jeden Menschen wurde ein Porträtfoto hochgehalten und auf einen mit einem weißen Tuch verhüllten Stuhl gestellt. Die Namen bekamen so ein Gesicht und die Angst und Unsicherheit, mit der sie zu kämpfen hatten, wurde so noch deutlicher spürbar.

Plakate in einfacher Sprache

Gemeinsam mit der Dominikus- und Katharinen-Schule erarbeiteten Schülerinnen und Schüler des Ringeisen-Gymnasiums zudem Plakate in einfacher Sprache, die über das Euthanasieprogramm und die Aktion T4, der Tarnname für den massenhaften Mord, in der Pausenhalle des Ringeisen-Gymnasiums informieren. Wer sich mit dem Lesen schwer tat, konnte auch sogenannte Anybook-Reader nutzen. Das sind mit einem QR-Code-Scanner ausgestattete Stifte, die die über den Code auf einem Plakat von den Schülerinnen und Schülern eingesprochene Texte wiedergeben können.   

Besondere Betroffenheit löste die Ausstellung im Kreuzgang des Klosters aus. Auf Plakaten hatten die Schülerinnen und Schüler die Biographien von Tätern ausgestellt: Lagerkommandanten, aber auch Ärzte aus den Krankenstationen der Konzentrationslager und Tötungsanstalten. So etwa die Ärztin und Kinderbuchautorin Hedwig Eyrich, die in der Abteilung Erb- und Rassenpflege am städtischen Gesundheitsamt in Stuttgart Mitverantwortung trug für die Ermordung von rund 5.000 Kindern. Die Jugendlichen spürten dabei, dass der Mord an Menschen mit Behinderung nicht nur deshalb umgesetzt werden konnte, weil Adolf Hitler das wollten, sondern weil sie in der ganz normalen Bevölkerung hunderttausende Helfer fanden.

Traurig und schockierend

Die Tatsache, dass Akademiker und Ärzte hier zu Tätern wurden, Menschen Schmerzen und Leid zufügten, Leben vernichteten, macht viele betroffen. Es sei „traurig und schockierend“, erklärt eine Schülerin, „dass das nicht einfach nur Leute waren, die zu dumm gewesen sind“, um zu begreifen, was sie da tun, sondern auch Menschen, die sich zur intellektuellen Elite des Landes zählten. Damit solche Verbrechen nie wieder ermöglicht werden können, formulierte die Schülerin ein leicht umsetzbares Rezept: „Wir müssen ganz allgemein aufpassen, wie wir miteinander umgehen.“

Zum Schwerpunkt "Zeit der Gefahr" auf dieser Internetseite

Die Katharinen-Schule

Die Dominikus-Schule

Das Ringeisen-Gymnasium

 

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